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Geschichte Nordrhein-Westfalens

Die bei Krönungen in Aachen verwendete Reichskrone des Heiligen Römischen Reichs stammt wahrscheinlich aus einer niederrheinischen Goldschmiedewerkstatt des 10. Jahrhunderts und deutet auf einen hohen frühmittelalterlichen Entwicklungsstand von Kunstgewerbe und Metallverarbeitung im nordrhein-westfälischen Geschichtsraum hin.
Cross Hilt Sword, 1600–1625, Metropolitan Museum of Art – Die industrielle Entwicklung Nordrhein-Westfalens gründete auf einem vor- und frühindustriellen Gewerbe, dem etwa durch Herstellung und Export von Klingen bereits im 17. Jahrhundert eine weltweite Bedeutung zukam.
Ludwig van Beethoven (1770–1827), Enkel eines aus Mechelen in den Österreichischen Niederlanden eingewanderten Sängers, wurde in Bonn geboren.
„Gruß aus der Kanonenstadt Essen“ (Postkarte mit Darstellung der „Kruppschen Werke“, 1913) – Das technologische und wirtschaftliche Potenzial an Rhein und Ruhr – „Kohle und Eisen“ – wurde im 19. und 20. Jahrhundert als ein bedeutender Machtfaktor wahrgenommen. Sowohl nach dem Ersten als auch nach dem Zweiten Weltkrieg war es im Zusammenhang mit der Ruhrfrage Gegenstand internationaler politischer Verhandlungen und Aktionen, die darauf gerichtet waren, es für Reparationen zu nutzen und es international zu kontrollieren. Bei der Gründung Nordrhein-Westfalens stand es erneut im Mittelpunkt der politischen Überlegungen.

Die Geschichte Nordrhein-Westfalens umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Die Geschichte im engeren Sinne begann kurz nach dem Zweiten Weltkrieg am 23. August 1946, als durch Militärverordnung Nr. 46 der britischen Besatzungsmacht[1] aus der Provinz Nordrhein, dem Nordteil der preußischen Rheinprovinz, sowie der ebenfalls preußischen Provinz Westfalen das Land Nordrhein-Westfalen gegründet wurde. Mit der Militärverordnung Nr. 77 vom 21. Januar 1947, durch die das Land Lippe Nordrhein-Westfalen eingegliedert wurde, war der heutige territoriale Zuschnitt im Wesentlichen erreicht.[2]

Nordrhein-Westfalen trat so in die Rechtsnachfolge des Freistaats Preußen und des Landes Lippe ein. Im Gegensatz zu einigen anderen neu geschaffenen oder restituierten deutschen Ländern gab es für Nordrhein-Westfalen im Ganzen keinen stark identitätsstiftenden oder gebietsidentischen Vorgängerstaat. Vielmehr entfaltete bis heute ein Gemenge vieler unterschiedlicher historischer Territorien, teils aus vorpreußischer Zeit, seine Wirkungen auf die Kultur und Identität ihrer Bewohner. Vor dem Hintergrund des beginnenden Ost-West-Konflikts[3] strebte Großbritannien als Besatzungsmacht in politischen Überlegungen die Bildung eines westdeutschen Landes an, das die bedeutenden industriellen Ressourcen des Ruhrgebiets in sich vereint, um sie den Bestrebungen der Sowjetunion und Frankreichs zu entziehen, die ein Viermächte-Regime über das Ruhrgebiet oder eine internationale Kontrolle seiner Ressourcen favorisierten. Kulturelle und historische Aspekte wurden beim Zuschnitt des Landes berücksichtigt, blieben aber im Verhältnis zu den geopolitischen Interessen, die mit der Beherrschung des Landes und seiner Ressourcen verfolgt wurden, nachrangig.

Die Industrialisierung und die Gründung des Deutschen Zollvereins hatten im 19. Jahrhundert an Rhein, Ruhr und Wupper auf der Grundlage eines bereits stark ausgeprägten vor- und frühindustriellen Gewerbes ein wirtschaftliches und technologisches Potenzial entstehen lassen, mittels dessen das Königreich Preußen eine Vormachtstellung in Deutschland erlangen und so die deutsche Reichsgründung unter dem Kaisertum der preußischen Hohenzollern als sogenannte kleindeutsche Lösung der deutschen Frage durchsetzen konnte. Die an Rhein, Ruhr und Wupper prosperierenden Industrien bildeten das bedeutendste Wirtschaftspotenzial des Deutschen Reichs. Sie übten ihrerseits großen Einfluss auf seine Politik aus[4] und gerieten im 20. Jahrhundert in den Fokus internationaler Politik, etwa während der Ruhrbesetzung durch Belgien und Frankreich in den Jahren 1923 bis 1925. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Ruhrfrage in Gestalt eines Ruhrstatuts zu einem internationalen Regime über das Industriegebiet an Rhein und Ruhr. Mit dem Schuman-Plan entwickelte Frankreich seine Deutschland- und Ruhrpolitik fort,[5] indem es Deutschland anbot, die Montanindustrien beider Länder, gerade auch die des Ruhrgebiets, in einem gemeinsamen Markt und unter gemeinsamer Aufsicht zusammenzulegen. Dies ermöglichte nicht nur die Beseitigung des Ruhrstatuts, sondern führte über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu einem fortlaufenden Prozess der europäischen Integration und der Bildung einer europäischen Identität sowie zur Entstehung des heutigen Staatenverbundes der Europäischen Union.

Die Erinnerungskulturen und Geschichtspolitiken in Nordrhein-Westfalen knüpfen an die Geschichten und die Mythen der einzelnen Räume und Vorgängerterritorien auf dem heutigen Gebiet Nordrhein-Westfalens an. Insofern gibt es ein uneinheitliches Geschichtsbewusstsein, das sich aus einer in den einzelnen Regionen des Landes oft unterschiedlich verlaufenen Historie speist. Gleichwohl weist dieses heterogene geschichtliche und räumliche Bewusstsein in seinen Strängen durchaus Parallelen und Gemeinsamkeiten auf.[6] Wichtige historische Stätten sind in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel die Pfalzkapelle zu Aachen und das Rathaus zu Münster. Das Land an Rhein und Ruhr hat eine Vielzahl bedeutender Menschen hervorgebracht, zum Beispiel den Komponisten Ludwig van Beethoven.

Mit der Jubiläumsausstellung „Unser Land. 75 Jahre Nordrhein-Westfalen“ wurde 2021 das Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen im Mannesmann-Haus an der Rheinuferpromenade im Düsseldorfer Regierungsviertel eröffnet.

  1. Verordnung Nr. 46, Auflösung der Provinzen des ehemaligen Landes Preußen in der Britischen Zone und ihre Neubildung als selbständige Länder vom 23. August 1946. In: Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, Nr. 13, S. 305, Digitalisat der Deutschen Nationalbibliothek:urn:nbn:de:101:1-201301315297
  2. Bekanntmachung der britischen Militärverordnung Nr. 77 vom 21. Januar 1947 (PDF; 476 kB), wiedergegeben im Portal lwl.org des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, abgerufen am 20. Januar 2012.
  3. Land Nordrhein-Westfalen1. Historischer Hintergrund. Website im Portal bpb.de (Bundeszentrale für politische Bildung), abgerufen am 17. November 2013.
  4. Beispielsweise über den „Langnam-Verein“ oder die Wirtschaftsvereinigung zur Förderung der geistigen Wiederaufbaukräfte
  5. John Gillingham: Die französische Ruhrpolitik und die Ursprünge des Schuman-Plans. (PDF; 8,2 MB). In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Heft 1/1987, ISSN 0042-5702
  6. Karl Ditt, Klaus Tenfelde (Hrsg.): Das Ruhrgebiet in Rheinland und Westfalen. Koexistenz und Konkurrenz des Raumbewusstseins im 19. und 20. Jahrhundert. Darin insbesondere: Hans Heinrich Blotevogel: Raumbewusstsein im Rheinland, in Westfalen, im Ruhrgebiet und in Nordrhein-Westfalen: Einführung und Auswertung. LWL-Institut für Westfälische Regionalgeschichte Münster, Forschungen zur Regionalgeschichte, Band 57 (Hg. Bernd Walter), Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2007, ISBN 978-3-506-75748-7.

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