Hirschenhof war eine von 1766 bis 1939 bestehende russlanddeutsche Siedlung an der Stelle des heutigen Dorfes Irši in Lettland, etwa 100 Kilometer östlich von Riga. Mit bis zu 3000 Einwohnern handelte es sich um die größte geschlossene deutschsprachige Siedlung in Lettland. Die fast ausschließlich deutschstämmigen Bewohner lebten weitgehend isoliert von den Deutsch-Balten. So entwickelte sich, beeinflusst von der lettischen Sprache, eine eigene deutsche Mundart.
Die Gründung der Kolonie geht auf die russische Zarin Katharina II. zurück, die 1766 deutsche Auswanderer auf dem Gebiet der ehemaligen Gutshöfe Hirschenhof und dem etwas nördlich davon liegenden Helfreichshof ansiedelte, die das bis dahin bewaldete und kaum bewohnte Land kultivieren sollten. Die in deutschsprachigen Gebieten mit der Zusicherung von Privilegien wie Steuererleichterungen und Freiheit vom Militärdienst angeworbenen Siedler, die als Kolonisten bezeichnet wurden, erhielten als Erbpächter Parzellen zur Urbarmachung zugeteilt. Hirschenhof und Helfreichshof umfassten zusammen ursprünglich rund 4500 Hektar Land und nach Erweiterung des Gebiets und der Anlage weiterer Erbpachtstellen 6000 Hektar. Drei größere Waldstücke sollten erhalten bleiben, von denen eines den Kolonisten gemeinsam gehörte. Die Kolonisten wohnten meist auf verstreuten Einzelhöfen. Als die Bevölkerung wuchs und nicht mehr genug Land für neue Höfe erworben werden konnte, um jüngere, vom Anerbenrecht ausgeschlossene Söhne zu versorgen, suchten Nachkommen der ersten Hirschenhöfer Siedler nach einem Auskommen außerhalb der Kolonie. Das Passsystem erschwerte jedoch eine dauerhafte Niederlassung in den Städten und den Erwerb der Bürgerrechte. Nach hundert Jahren fielen Beschränkungen und weitgehend auch die Privilegien 1867 weg, und Hirschenhof wurde eine Koloniegemeinde (kolonija pagast). Hirschenhöfer konnten sich nun leichter in baltischen und russischen Städten integrieren, behielten jedoch oft die Bindung an Hirschenhof.
1939 wurden fast alle Bewohner der Siedlung sowie die vielen weiteren Nachfahren der ursprünglichen Siedler in den Warthegau umgesiedelt. Die Höfe wurden an lettische Bauern verkauft. In der seit 1940 Irši genannten Ortschaft im Iršu pagast (Gemeinde Irši), einem Verwaltungsbezirk im Bezirk Aizkraukle, leben keine Deutschsprachigen mehr. Im Zuge der landwirtschaftlichen Zentralisierung während der sowjetischen Besetzung Lettlands wurden die verstreut liegenden Einzelgehöfte aufgegeben. Bis auf wenige Gebäude im Dorfkern und den „Nomaļi“ genannten Hof Nr. 18 sind die Gebäude der Kolonie verschwunden.