Stanley Baldwin, 1. Earl Baldwin of Bewdley, KG, PC (* 3. August 1867 in Bewdley, Worcestershire; † 14. Dezember 1947 in Astley Hall bei Stourport-on-Severn, Worcestershire) war einer der führenden konservativen Politiker im Großbritannien der Zwischenkriegszeit. In den Jahren von 1923 bis 1937 bekleidete er unter anderem dreimal das Amt des Premierministers.
Geboren in eine wohlhabende Familie, durchlief Baldwin eine Upperclass-Ausbildung in Harrow und Cambridge. Nach langen Jahren im Familienbetrieb kandidierte er 1908 erfolgreich bei einer Nachwahl für einen Sitz im Unterhaus. Dort verbrachte er eine Dekade als unbedeutender Hinterbänkler. 1917 erhielt er seinen ersten Regierungsposten in der Koalition aus Konservativen und Lloyd Georges liberaler Teilfraktion und wurde 1921 als President of the Board of Trade Mitglied des Kabinetts. Im Oktober 1922 war er maßgeblich daran beteiligt, beim Carlton-Club-Treffen die Koalition zwischen Konservativen und Lloyd Georges Liberalen zu beenden. Danach wurde er Schatzkanzler in Bonar Laws konservativer Alleinregierung und avancierte nach Bonar Laws gesundheitsbedingtem Rücktritt zu dessen Nachfolger als Premierminister.
Wenige Monate nach seinem Amtsantritt rief er überraschend Neuwahlen aus, bei denen die Konservativen jedoch ihre Mehrheit einbüßten und es zu einem hung parliament kam. Die Folge war eine kurze Oppositionsphase für die Konservativen und die erste Labour-Regierung, die sich als instabil erwies, als die Liberalen ihr im Parlament die Unterstützung entzogen. Nach erneuten Neuwahlen im Oktober 1924 errangen die konservativen „Tories“ einen Sieg und Baldwin formte seine zweite Regierung. Aufbauend auf den Reformen der Liberalen vor dem Ersten Weltkrieg wurde während Baldwins Regierung der Sozialstaat weiter ausgebaut. Dennoch kam es weiterhin zu Arbeitskämpfen und im Mai 1926 zum Generalstreik. Nach der Wahlniederlage 1929 fand sich Baldwin zunächst erneut als Oppositionsführer wieder; infolge der Weltwirtschaftskrise traten Baldwins Konservative in die aus Vertretern aller Parteien gebildete Nationale Regierung unter Premierminister MacDonald ein, Baldwin war dabei hinter der Galionsfigur MacDonald die führende Kraft. Nach der gewonnenen Unterhauswahl 1935 bildete Baldwin seine dritte Regierung. Der Hoare-Laval-Pakt im Dezember 1935 führte zum Rücktritt von Außenminister Hoare und bewirkte sowohl eine schwere Krise der Regierung als auch nachfolgend eine monatelange persönliche Krise Baldwins, der Mitte 1936 seinen Rücktritt für das kommende Jahr ankündigte. Seine gekonnte Handhabung der Abdankung Eduards VIII. ließ Baldwin jedoch noch einmal in günstigem Licht dastehen und ihn als hochgeachteten Politiker abtreten.
Nach seinem Rückzug ins Privatleben 1937 weithin als der meistgeachtete Politiker im Land angesehen, wurde Baldwin, beginnend 1940 mit dem Buch Guilty Men, maßgeblich für die Appeasement-Politik gegenüber den faschistischen Diktaturen verantwortlich gemacht. Auch für die nicht ausreichende Wiederaufrüstung in den 1930er-Jahren, die Großbritannien im Sommer 1940 an den Rand einer Niederlage brachte, gab man Baldwin die Hauptverantwortung. Erst in den 1960er-Jahren kam es zu einer ausgewogeneren Beurteilung Baldwins.