Unternehmensverantwortung (international und in der Managementtheorie meist als Corporate Responsibility bezeichnet) ist das, wofür ein Unternehmen gegenüber seinen Anspruchsgruppen («Stakeholder») sowie der natürlichen Umwelt verantwortlich ist oder sein sollte.[1][2] Sie hängt von der Fähigkeit ab, Entscheide zu fällen und Einfluss auf andere zu nehmen. Je grösser die Handlungsfähigkeit oder die Handlungsauswirkungen eines Unternehmens, umso grösser ist seine Verantwortung.[3][4] Deshalb ist Unternehmensverantwortung in einer kapitalistischen oder marktwirtschaftlichen Ordnung, in der Unternehmen eine Schlüsselrolle einnehmen, besonders relevant.[5][6] Deutschland, Österreich und die Schweiz haben eine solche Ordnung.[7][8][9][10]
Unternehmensverantwortung bezieht sich einerseits auf konkrete Ereignisse aus der Vergangenheit oder Gegenwart: ob ein Unternehmen verantwortlich gehandelt hat bzw. handelt. Andererseits bezieht sie sich auf Vorstellungen und Zuschreibungen, die in die Zukunft weisen: wie ein Unternehmen verantwortlich handeln sollte.[11] Solche Bewertungen und Vorstellungen entstehen stets in einem bestimmten Kontext. An verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten kann Unternehmensverantwortung unterschiedliches bedeuten.[12][13][14] Sie ist inhaltsoffen und deshalb abzugrenzen von verwandten und zum Teil synonym verwendeten Begriffen wie Corporate Responsibility, Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship und Corporate Governance, die in der Regel bestimmte Vorstellungen, aber teilweise auch konkrete gesetzliche Verpflichtungen der Unternehmensverantwortung transportieren.
Wie jede Verantwortung, kann auch jene von Unternehmen analytisch in vier Bereiche aufgeteilt werden:[15]
- das Unternehmen als Träger oder Subjekt der Verantwortung;
- Arbeitnehmer, Konsumenten und andere Anspruchsgruppen sowie die natürliche Umwelt als Objekte der Verantwortung (gegenüber wem bzw. wofür das Unternehmen verantwortlich ist);
- bestimmte Kriterien – zum Beispiel Gesetze, Verhaltenskodizes oder Standards –, anhand derer Verantwortung definiert wird;
- bestimmte Instanzen – zum Beispiel Gerichte, Verbände und Medien –, die darüber urteilen, ob eine Handlung oder Unterlassung verantwortlich war bzw. was verantwortliches Handeln ausmacht.
- ↑ Christian Neuhäuser: Unternehmen als moralische Akteure. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2011.
- ↑ Dominik van Aaken, Philipp Schreck: Wirtschafts- und Unternehmensethik. Ein Überblick über die Forschungslandschaft. In: dies. (Hrsg.): Theorien der Wirtschafts- und Unternehmensethik. Berlin 2015, S. 7–22 (Die Unterscheidung zwischen empirisch festgestellter und normativ eingeforderter Unternehmensverantwortung wird hier betont.).
- ↑ Knut Bleicher: Unternehmungsphilosophie: Visionen und Missionen eines normativen Managements. In: Wilhelm Korff et al. (Hrsg.): Handbuch der Wirtschaftsethik. Band 3. Gütersloh 1999, S. 165–188.
- ↑ Jacek Filek: Verantwortung. In: Christian Bermes et al. (Hrsg.): Schlüsselwörter der Philosophie des 20. Jahrhunderts. Hamburg 2010, S. 407–418.
- ↑ Peter Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie. Bern 2008, IV (Eine konzeptionelle Erläuterung des Zusammenhangs zwischen sozialer Ordnung und Unternehmensverantwortung findet sich hier.).
- ↑ Gregory Jackson, Julia Bartosch: Corporate Responsibility in Different Varieties of Capitalism. Exploring the Role of National Institutions. Gütersloh 2016 (Hier findet sich eine empirische Untersuchung dieses Zusammenhangs.).
- ↑ Volker Berghahn, Sigurt Vitols: Gibt es einen deutschen Kapitalismus? Tradition und globale Perspektive der sozialen Marktwirtschaft. Frankfurt am Main. 2006.
- ↑ Peter A. Hall, David Soskice: Varieties of capitalism. Institutional foundations of comparative advantage. Oxford 2013.
- ↑ Gregory Jackson, Richard Deeg: How Many Varieties of Capitalism? Comparing the Comparative Institutional Analysis of Capitalist Diversity. In: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Discussion Paper 2. Köln 2006.
- ↑ Christine Trampusch, André Mach: Switzerland in Europe. Continuity and Change in the Swiss Political Economy. London 2011.
- ↑ Jürgen Plöhn: Vertrauen und Verantwortung in den politischen Systemen westlicher Demokratien. Begriffliche, ideengeschichtliche und theoretische Grundlagen. Band 1. Bern 2013, S. 185–203 (Vgl. die konzeptionelle Begriffsbestimmung).
- ↑ Werner Abelshauser: Eigennutz verpflichtet. Die Verantwortung des Unternehmers in der korporativen Marktwirtschaft. In: Geschichte und Gesellschaft. Band 35, 2009, S. 458–471.
- ↑ Alex Gertschen: Katholische Soziallehre, multinationale Konzerne und staatliche (Un-)Sicherheit: der Verantwortungsdiskurs der Unternehmer in Mexiko von den 1960er bis in die 1980er Jahre. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Band 104, 2017, S. 525–559.
- ↑ Michael Hochgeschwender, Bernhard Löffler: Religion, Moral und liberaler Markt. Politische Ökonomie und Ethikdebatten vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bielefeld 2011.
- ↑ Hans-Ulrich Küpper: Entscheidung und Verantwortung im institutionellen Rahmen. In: Wilhelm Korff et al. (Hrsg.): Handbuch der Wirtschaftsethik. Band 3. Gütersloh 1999, S. 39–67.