Auelehm

Als Auelehm wird ein vorwiegend pelitisches Lockergestein im Überschwemmungsgebiet ständig fließender Gewässer (Flüsse und Bäche) bezeichnet. Von Ferdinand Schalch wurde 1885 der Name „Aulehm“ eingeführt.[1] Mit der Einführung der einheitlichen Rechtschreibung im Jahre 1901 wurde der Begriff Auelehm allgemein üblich. Veraltet sind die Bezeichnungen Alluvionen und Alluvialboden. Neuerdings wird insbesondere in der Physischen Geographie häufig die Pluralform Auenlehm verwendet. Die von Rudolf Grahmann[2] eingeführte Bezeichnung „Hochflutlehm“ für die beim Hochwasser auf der Aueoberfläche abgesetzten Feststoffe wird neuerdings und insbesondere für das Rheintal sinnverändernd auf das unter kaltzeitlichem Klima abgelagerte feinkörnige Flusssediment angewandt, siehe Wikipedia-Artikel Hochflutlehm. Ursprünglich wurde für dieses Sediment von Grahmann[3] der Begriff „Tallehm“ geprägt. Bei einem höheren psammitischen Anteil wäre für den Hochflutlehm im Sinne von Grahmann der Begriff Hochflutsediment zu bevorzugen. Ablagerungen in einem Tal ohne ständiges Fließgewässer, in einem sogenannten Trockental, gehören zu den Kolluvien (Kolluvium, lat.: das Zusammengeschwemmte). Klassische Gebiete der Auelehmforschung sind Nordwestsachsen (Flussgebiete Weiße Elster und Pleiße),[2][4][5] und das Wesergebiet.[6][7]

Bei der Ablagerung des Hochflutlehms (im Sinne von Grahmann) entsteht oberhalb des mittleren Grundwasserstandes durch Diagenese (Oxidation der organischen Bestandteile, Bioturbation) der typische Auelehm mit seiner senkrechten Klüftung und der meist kräftigen gelbbraunen Farbe. Bei zeitweise stark verringerter Sedimentationsgeschwindigkeit reichert sich Humussubstanz an und es entstehen schwarzgraue sogenannte „Humushorizonte“, es sind Rohböden vom Typ Paternia. Bei längeren Ruhephasen der Sedimentation entsteht der Bodentyp Vega. Im Bereich des permanenten Grundwassers sind diagenetische Prozesse gehemmt. Graue bis schwarze Farbtöne herrschen vor und Schichtungsspuren sowie organische Bestandteile, zusammen mit den pelitischen mineralischen Stoffen antransportiert bzw. aus einer ortsständigen Vegetation stammend, bleiben erhalten. Diese insbesondere für die Sedimentation in Altwassern charakteristische Sedimentart ist in der Literatur mit einer Vielzahl von Namen (z. B. „Flussschlick“, bei flächenhafter Verbreitung auch „Ried“ oder „Schwarzer Auenboden“) belegt worden.

Zur Ausbildung einer Auelehmdecke kommt es nur in mäandrierenden Laufabschnitten, denn beim „verwilderten Fluss“, auch Verflochtener Fluss (engl.: braided river) genannt, der Hochgebirgsregionen und arktischen Regionen kann sich der Hochflutlehm nicht deckenartig ansammeln. In Nordwestsachsen[8] wurde während der Weichsel-Kaltzeit die Niederterrasse akkumuliert und auch die heute mäandrierenden Flussabschnitte waren nach den Flussbettstrukturen „verwildert“. Die Umstellung der Flussdynamik zum mäandrierenden Fluss erfolgte am Beginn des Holozäns. Auelehmdecken sind in Mitteleuropa danach ein Charakteristikum warmzeitlicher Flüsse.

Das Ausmaß der Ablagerung von Auelehm hängt in erster Linie von der Hochwasserhäufigkeit ab und dabei spielt der Grad der Kontinentalität des Klimas eine Rolle. Bei einer Zunahme der Kontinentalität sind es die größere Retention des Winterniederschlags in den Bergregionen und im Sommer meist bestimmte Wetterlagen, z. B. die bekannte Großwetterlage Vb, die zu großräumigen Hochwassern führen. Lokale Starkregen bei Wärmegewittern können zwar eine starke Bodenerosion verursachen, aber ein dadurch ausgelöstes Hochwasser hat ebenfalls vorwiegend eine lokale Wirkung. Weitere wichtige Faktoren sind eine hohe Reliefenergie und ein leicht erosionsfähiger Boden im Einzugsgebiet. Deshalb stehen mächtige Auelehmablagerungen überwiegend mit Lößhügelländern in Verbindung. Im westsächsischen Hügelland sind die mächtigen Auelehmdecken durch Böden, die in den gesamten Flussgebieten verbreitet sind, gegliedert.

  1. Ferdinand Schalch: Erläuterungen zur geologischen Specialkarte des Königreichs Sachsen, Section Wurzen, Blatt 13, Leipzig 1885, 52 Seiten (online).
  2. a b Rudolf Grahmann: Konnten die mitteldeutschen Flußauen in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt werden? In: Mannus – Zeitschrift für deutsche Vorgeschichte, Band 26, Leipzig 1934, S. 37–41
  3. Rudolf Grahmann: Erläuterungen zur Geologischen Spezialkarte von Sachsen, Blatt 48/39, Pegau-Predel nebst Hemmendorf, 2. Auflage, Leipzig 1924, S. 1–34.
  4. Hans Neumeister: Beiträge zum Auelehmproblem des Pleiße- und Elstergebietes. In: Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für Länderkunde N.F., Band 21/22, Leipzig 1964, S. 65–131.
  5. Dieter Händel: Das Holozän in den nordwestsächsischen Flußauen. In: Hercynia N.F., Band 4, Leipzig 1967, S. 152–198.
  6. Gerd Lüttig: Zur Gliederung des Auelehms im Flußgebiet der Weser In: Eiszeitalter und Gegenwart, Band 11, Öhringen 1960, S. 39–50
  7. Willfried Strautz: Auelehmbildung und -gliederung im Weser- und Leinetal mit vergleichenden Zeitbestimmungen aus dem Flußgebiet der Elbe. In: Beiträge zur Landespflege, Band 1, Stuttgart 1963, S. 273–314.
  8. Roland Fuhrmann: Die Entwicklungsgeschichte postsaaleglazial entstandener Talabschnitte der Weißen Elster und Mulde und die stratigraphische Gliederung des jüngeren Quartärs. In: Altenburger naturwissenschaftliche Forschungen, Heft 11, Altenburg/Thüringen 1999, S. 43–63 PDF.

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