Neoliberalismus

Neoliberalismus (altgriechisch νέος neos, deutsch ‚neu‘ und lateinisch liberalis ‚freiheitlich‘) bezeichnet eine Neufassung wirtschaftsliberaler Ideen im 20. Jahrhundert. Wie der Klassische Liberalismus strebt der Neoliberalismus eine freiheitliche, marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung mit Anerkennung von Privateigentum, Vertragsfreiheit und Freihandel an. Anders als der klassische Liberalismus überträgt er dem Staat jedoch eine aktive ordnungspolitische Rolle in der Wettbewerbspolitik als Schöpfer und Hüter der Wettbewerbsordnung. Die Bezeichnung Neoliberalismus wurde auf einer Konferenz in Paris im Jahr 1938 (Colloque Walter Lippmann) geprägt und wird heute mit zwei Varianten in Verbindung gebracht: (1) deutscher Neoliberalismus, der zusätzlich gewisse staatliche Interventionen in der Sozial- und Konjunkturpolitik befürwortet (Ordoliberalismus); (2) angelsächsisch geprägte Variante, die solche Interventionen ablehnt (Chicagoer Schule, Österreichische Schule).[1][2]

Der Ausdruck Neoliberalismus entwickelte sich in den 1990er Jahren aber auch zu einem politischen Schlagwort, das eine Wirtschaftspolitik mit folgenden Merkmalen bezeichnet: Intensivierung des Wettbewerbs durch Deregulierung, Durchsetzung des Freihandels und der Finanzglobalisierung, Limitierung des Deficit spending sowie Verringerung der Rolle des Staates durch Privatisierung und Reduktion der Bürokratie. Kritiker sehen darin eine Schwächung sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Politikgestaltung infolge der Dominanz eines ökonomischen Rationalitätsverständnisses.[2][3]

Hintergrund für den Bedeutungswandel und für die Entwicklung zu einem wesentlich umstrittenen Begriff (Essentially Contested Concept) sind Entwicklungen seit den 1970er Jahren, als der Ausdruck Neoliberalismus von oppositionellen Wissenschaftlern in Chile aufgegriffen wurde. Damals setzten die Chicago Boys in Chile radikale Wirtschaftsreformen um. Die Reformen waren von Ideen der Chicagoer Schule und von Friedrich August von Hayek beeinflusst. Von hier aus verbreitete sich die neue Wortbedeutung in die angelsächsische Welt.[4][5][6]

  1. Neoliberalismus. In: Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag. Bibliographisches Institut, 2016, abgerufen am 12. Dezember 2020 (Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung).
  2. a b Dieter Nohlen, Florian Grotz: Kleines Lexikon der Politik. C.H.Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-60411-9, S. 391 (google.de [abgerufen am 12. Dezember 2020]).
  3. Jonathan D. Ostry, Prakash Loungani, Davide Furceri: Neoliberalism: Oversold? In: Finance & Development. Band 53, Nr. 2, 2016, S. 38–41 (imf.org [PDF; abgerufen am 21. November 2024]).
  4. Patricio Silva: In the name of reason: technocrats and politics in Chile. Penn State Press, Pennsylvania 2008, ISBN 978-0-271-03453-9, S. 143.
  5. Ricardo Ffrench-Davis: Economic Reforms in Chile. From Dictatorship to Democracy. The University of Michigan Press, Michigan 2002, ISBN 0-472-11232-5, S. 10.
  6. Taylor C. Boas, Jordan Gans-Morse: Neoliberalism: From New Liberal Philosophy to Anti-Liberal Slogan. In: Studies in Comparative International Development. Band 44, Nr. 2, 2009, ISSN 0039-3606, S. 137–161, hier S. 150, doi:10.1007/s12116-009-9040-5 (englisch).

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