Das Wasserpotential ist ein Begriff, der in der Pflanzenphysiologie verwendet wird, um die Verfügbarkeit von Wasser in einem System (z. B. Pflanzengewebe, Boden oder Luft) zu charakterisieren. Er wird zur Beschreibung der Wasseraufnahme und des Wassertransports in Pflanzen verwendet und mit oder (griechischer Buchstabe Psi) bezeichnet. Differenzen bzw. Gradienten des Wasserpotentials treiben den Wassertransport an, wobei das Wasser vom Ort mit dem höheren zum Ort mit dem niedrigeren Potential fließt (z. B. Boden – Wurzel, Blatt – Luft).[1][2][3][4]
Aus physikalischer Sicht ist das Wasserpotential das chemische Potential des Wassers, skaliert auf Einheiten des Drucks. Es ist ein Maß für die Arbeit, die geleistet werden muss, um (bei konstantem Druck und konstanter Temperatur) ein Einheitsvolumen Wasser aus einem Referenzzustand dem System zuzuführen.[3] Da Wasserpotentiale in der Natur in der Regel negative Werte annehmen, hat das höhere Potential (im Sinne der größeren Zahl inkl. Vorzeichen) den kleineren Zahlenwert, und umgekehrt.[1] So wird zum Beispiel Wasser von einer Stelle mit einem Wasserpotential von (völlig gesättigt) zu einer anderen Stelle mit einem Wasserpotential von fließen.
In älterer Literatur wird gelegentlich der Begriff Saugkraft als Triebkraft für den Wassertransport in Pflanzen verwendet. Dieser Begriff ist weniger präzise, nicht einheitlich definiert und verhält sich anschaulich gesprochen umgekehrt zum Wasserpotential: Je niedriger das Wasserpotential, desto höher die Saugkraft und umgekehrt.[5][4][6] Ein verwandtes Konzept ist das Hydraulische Potential in der Bodenkunde. Im Unterschied zum Wasserpotential werden dabei osmotische Effekte außer Acht gelassen, sodass es sich zur Beschreibung von Transportprozessen, bei denen gelöste Stoffe ungehindert mit dem Wasser transportiert werden (z. B. Versickerung), eignet.
- ↑ a b N. Michele Holbrook (Kapitel-Autorin Chapter 3 & 4): Plant Physiology. Hrsg.: Lincoln Taiz, Eduardo Zeiger. 6. Auflage. Sinauer Associates, Sunderland, Massachusetts, USA 2014, ISBN 978-1-60535-255-8, Chapter 3, Sections Water Potential, Water Potential of Plant Cells, Cell Wall and Membrane Properties, Plant Water Status, and Summary, S. 89–98.
- ↑ Peter Schopfer, Axel Brennecke: Pflanzenphysiologie. Begründet von Hans Mohr. 6. Auflage. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag, München 2006, ISBN 3-8274-1561-6, Abschnitt 3.5: Chemisches Potential von Wasser und 3.6 Anwendungen des Wasserpotentialkonzepts auf den Wasserzustand der Zelle, S. 51–61.
- ↑ a b Paul J. Kramer, John S. Boyer: Water relations in plant and soil. Academic Press, San Diego 1995, ISBN 0-12-425060-2, Chapter 2: Functions and Properties of Water, Subsection Chemical Potential of Water, S. 35–37.
- ↑ a b Gerhard Richter: Stoffwechselphysiologie der Pflanzen. Physiologie und Biochemie des Primär- und Sekundärstoffwechsels. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1988, ISBN 3-13-442005-8, 2. Kapitel, Abschnitt 1 Wasserhaushalt, S. 31–51.
- ↑ Dietrich von Denffer u. a.: Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. Begründet von Eduard Strasburger u. a. 30. Auflage. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1971, ISBN 3-437-20050-X, Zweiter Teil: Physiologie, Erster Abschnitt: Physiologie des Stoffwechsels, II. Das Wasser, S. 205–223 (Ab der nachfolgenden 31. Auflage von 1978 wird der Wassertransport nicht mehr mit der Saugkraft, sondern mit dem Wasserpotential beschrieben. Der Begriff „Saugkraft“ kommt im Fließtext lediglich noch bildlich zum Einsatz. Spätestens in der 37. Auflage von 2014 kommt „Saugkraft“ gar nicht mehr vor (Volltextsuche im PDF, doi:10.1007/978-3-642-54435-4).).
- ↑ Ulrich Kutschera: Kurzes Lehrbuch der Pflanzenphysiologie. Quelle und Meyer, Wiesbaden 1995, ISBN 3-8252-1861-9, Kapitel 4: Wasserhaushalt der Pflanzenzelle: Diffusion, Osmose, Wasserpotential, S. 60.